Weder der Staat noch die Behörde müssen zahlen (6)

Wer nun aber glaubt, dass hier wohl der Staat oder gar die Behörde selbst einspringen müssten, der irrt. Denn laut Expertengutachten kommt im Ernstfall weder eine Amts- oder gar Staatshaftung zum Tragen. Schließlich ist ohne die Implementierung eines eigenen Drohnen-Geräteregisters in Österreich (für die OPEN Kategorie bis 25 kg) auch die Austro Control nicht in der Pflicht, die einzelnen Versicherungspolizzen der Fluggeräte zu prüfen. Und dies, obwohl in Österreich sehr wohl eine gesetzlich verankerte Versicherungspflicht für Drohnen nach nationalem Recht besteht! Damit landet nun diese Prüfungspflicht vollends bei versicherungstechnischen Nicht-Experten, den jeweiligen Drohnenbetreibern. Diese können laut EU Verordnung auch 16-Jährige (wenn national freigegeben, auch jünger!) sein. Infolge kann man nur hoffen, dass jene sich ihrer Verantwortung bewusst sind und alles richtig machen – ein Schelm, wer hier Böses denkt. Es bleibt damit wie gehabt: Die Entschädigung eines Unfallopfers hängt vollends vom Gutdünken eines Laien ab.

 

Hintergrund: Die Austro Control kann nicht mehr kontrollieren (7)

Diese eben genannten Lücken im Drohnen-Versicherungsschutz entstehen aus dem Aufeinandertreffen zweier verschiedener Systeme. Gemeint sind die Vorgaben der neuen EU Drohnenverordnung sowie die nationalen österreichischen Versicherungsbestimmungen laut Luftfahrtgesetz (LFG). Schließlich besteht laut österreichischem Luftfahrtgesetz (§ 164 LFG) für Drohnen eine klare Versicherungspflicht. Bis dato konnte diese von der Austro Control ausreichend kontrolliert werden, da auch jede Drohne als konkretes Gerät bewilligt werden musste. Dabei mussten Drohnenbesitzer im Zuge der Bewilligung auch ganz konkret das Modell, die korrekte Seriennummer und das Abfluggewicht ihrer Drohne melden. Deckungsgleich zu diesen Daten mussten Drohnenbetreiber (analog zu einer KFZ Zulassung) dann auch eine gültige Versicherungsbestätigung einer gesetzeskonformen und international gültigen Luftfahrt-Haftpflichtversicherung vorlegen. Die Drohnenbewilligung sowie die Versicherungspflicht für unbemannte Luftfahrzeuge gingen damit bisher synchron.

Aber eben nur bisher, denn mit geplantem Start der neuen EU Drohnenverordnung am 31.12.2020 käme es hier automatisch zu klaffenden Lücken. Denn gemäß der dann gültigen neuen Drohnenregistrierung müsste in der größten Drohnen Kategorie (OPEN bis 25kg) lediglich die Betreiber als Person bzw. Firma erfasst werden, nicht aber deren einzelne Drohnen. Sprich, es besteht national nach wie vor die Versicherungspflicht für die einzelnen Geräte, doch die Austro Control verfügt dann nicht über ein eigenes Drohnen-Geräteregister, um diese Versicherungspflicht zu überprüfen. Die österreichische Luftfahrtbehörde kann damit auf diesbezügliche Verstöße nicht zeitgerecht reagieren. Das so ermöglichte Nicht-Bestehen dieser wichtigen Versicherungsdeckung würde damit meist erst hinterher bekannt. Also erst nach konkreten Schadensfällen wie jenem in Oberösterreich. Doch hinterher ist bekanntlich immer zu spät, vor allem bei schwereren Verletzungen. Dann ist nur zu hoffen, dass das Portemonnaie des Drohnenbetreibers im Ernstfall auch ausreicht!

 

Kein Meldesystem bei Erlöschen der Drohnen-Versicherung (8)

Zudem kann durch das Nicht-Zusammenpassen einer personenbezogenen Registrierungspflicht des Betreibers mit einer gerätebezogenen Versicherungspflicht der Drohne auch kein Meldesystem seitens der Versicherung eingerichtet werden. Und hierbei sprechen wir vom Kern eines jeden Pflichtversicherungssystems. Gemeint ist dabei die Meldepflicht für Pflichtversicherungen nach § 158c Versicherungsvertragsgesetz (VersVG), nach welcher bei Gefahr des Erlöschens einer Versicherungsdeckung auch eine automatisierte Meldung an die zuständige Behörde ergeht. Ein Procedere, welches übrigens auch im österreichischen Luftfahrtgesetz explizit festgehalten wurde:

§ 167 LFG: „Der Versicherer und der Versicherte haben der Austro Control GmbH jede vor Ablauf der Versicherungsdauer eingetretene Beendigung des Versicherungsverhältnisses und jede Unterbrechung des Versicherungsschutzes unverzüglich anzuzeigen.“

Damit hatte man bei bewilligungspflichtigen Drohnen bisher ein Verfahren, wie in anderen Pflichtversicherungssystemen auch. Vergleichbar hierzu wieder der KFZ Bereich, wo über ein eigenes Meldesystem sichergestellt ist, dass jedes Auto mit Nummerntafel auch tatsächlich versichert ist. Ist die Prämie einmal nicht bezahlt, gibt es noch eine 1-monatige Zusatzdeckung als Sicherheitsnetz. Ist die Prämie dann immer noch offen, erlischt die Versicherungsdeckung, sprich der Säumige verliert auch sein behördliches Kennzeichen. Was nun aber für Pflichtversicherungssysteme wesentlich ist, das könnte bei Drohnen ab 31.12.2020 nicht mehr zur Anwendung kommen. Damit hätten wir also in Österreich zwar eine Versicherungspflicht für Drohnen (§ 164 LFG), das damit verbundene Sicherheitsnetz – sprich, das Versicherungsmeldesystem – würde aber ausgehebelt. Diese ungeregelten Umstände bemängelt auch der Grazer Luftrechtsexperte. So sind laut dessen Rechtsgutachten die „Regelungen des LFG (…) dringend überarbeitungsbedürftig und müssen an die aktuelle Unionsrechtslage angepasst werden, um die aufgezeigten Widersprüche zu beseitigen“. Deshalb sei auch eine Novellierung der bezughabenden Bestimmungen (…) unumgänglich (Janezic, 2020). Folgen hier jedoch keine entsprechenden Anpassungen, so wäre dem unversicherten Drohnenflug Tür und Tor geöffnet.

 

Mehr Drohnen, mehr Unfälle (9)

Wird nun die EU Drohnenverordnung ohne entsprechende Adaptierungen per 31.12.2020 umgesetzt, so würde dies eine beträchtliche Deregulierung der Drohnenfliegerei in Österreich bedeuten. Dabei ginge ein lückenhaftes Versicherungssystem nicht nur mit einer erhöhten Missbrauchswahrscheinlichkeit und einer Zunahme an Haftungsstreitigkeiten einher. Vielmehr können ab dann die realen Fälle zunehmen, in denen Drohnenopfer tatsächlich nicht entschädigt werden. Und rechnet man hier ein, dass in Österreich schon 2017 geschätzte 100.000 Drohnen (Der Standard, 2017) unterwegs waren, so kann die Zahl ernstzunehmender Personenschäden durch Drohnen auch hierzulande steigen. An Drohnensichtungen durch Hubschrauberpiloten haben wir uns anscheinend schon gewöhnt. Doch an Unfallmeldungen, wie jener aus Oberösterreich, werden wir uns wohl oder übel auch gewöhnen müssen.

Drohnen Milliardenmarkt EU

Drohnen: Ein wachsender Milliardenmarkt (Quelle: Rat der Europäischen Union, 2019)

 

Immer mehr Drohnen auch mitten in der Stadt (10)

Für einen Zunahme der Drohnenunfälle sprechen noch weitere Indizien. Denn abseits von immer mehr Einsatzgebieten im professionellen Bereich, verstärkt sich seit Jahren der private Drohnengebrauch hin in Richtung Mini-Drohne. Dabei verfügen Verkaufsschlager wie oben genannte Flycams bzw. „Selfie Drohnen” lediglich über vier Rotoren, welche jene in der Luft halten. Dennoch können solche „Quadrocopter” bis zu einem Gewicht von 250 Gramm (eine „DJI Mavic Mini“ wiegt 249 Gramm) laut EU Drohnenverordnung nicht nur „nah am Menschen” (Austro Control, 2020), sondern auch über den Köpfen Unbeteiligter und somit auch im innerstädtischen Bereich geflogen werden. Und waren es früher noch erfahrene Modellflieger, so sind es nun Herr und Frau Ottonormalverbraucher, die derartige Quadrocopter mittels Gestensteuerung durch die Lüfte dirigieren. Dabei muss nicht mal die dann erlaubte maximale Flughöhe bis 120 Meter ausgereizt werden. Es genügt schon ein ungewollter „Fly Away“ oder ein Sturz aus wenigen Metern Höhe, „nur“ mit dem Gewicht eines Joghurtbechers. Und wenn schon nicht gravierende Verletzungen, so drohen immerhin weitere ungeplante Landungen auf Windschutzscheiben – hoffentlich „nur“ bei parkenden Autos! An diesem Punkt sei anzumerken, dass auch beim schweren Sturz der Radfahrerin in Oberösterreich „nur” eine sogenannte „Mini-Drohne” ihren Weg kreuzte. Man kann also damit rechnen, dass in Zukunft nicht nur der Aufprall von Drohnen, sondern auch die Ablenkungen sowie direkten Behinderungen durch Drohnen weitere Schäden und Verletzungen verursachen werden.

Exkurs: Hier gibt’s noch mehr Infos zum Thema Fly Away bei Flugdrohnen.